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Dr. Karl Schuhmann im Gespräch über Verantwortung, Wandel und Menschlichkeit in der plastischen Chirurgie

Drei Jahrzehnte plastische Chirurgie und mehr als 30.000 Eingriffe: Was bleibt, was verändert sich?

Die wichtigsten Prinzipien sind konstant geblieben: Sorgfalt, Demut und das Wissen, dass jeder Eingriff mehr ist als eine technische Korrektur. Was sich aber stark verändert hat, ist das Umfeld: Technologien, Erwartungen, der Einfluss von Social Media. Manche Entwicklungen machen Behandlungen sicherer, wirksamer. Ich denke da an das SMAS-Facelift oder regenerative Behandlungen wie Radiofrequenz, mit der wir die Haut quasi von innen heraus erneuern können. Oder auch neuartige Biostimulatoren.

Andere Entwicklungen setzen Patientinnen und Patienten enorm unter Druck. Mehr denn je ist heute eine umfassende und absolut realistische Aufklärung wichtig. Über die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen bestimmter Behandlungen. Nicht alles, was auf Social Media oder in reißerischen Fernsehbeiträgen zu sehen ist, ist auch möglich, realistisch oder gar sinnvoll. 

In einer Welt voller Filter und Facetuning, wie wirkt sich das auf Ihre ärztliche Arbeit aus?

Ich sehe immer häufiger Patientinnen, die sich mit digitalen Idealen vergleichen – und nicht mit sich selbst. Wir führen viele Gespräche darüber, was realistisch, auf natürliche Weise ästhetisch und was gesund ist. Manchmal ist ärztliche Haltung wichtiger als ärztliches Handeln. Und manchmal raten wir in unserer Praxis auch von einem Eingriff ab. 

Wann sagen Sie ganz bewusst: “Das operiere ich nicht“?

Wenn ich merke, dass die Erwartung etwas kompensieren soll, das eigentlich im Inneren liegt. Wenn jemand eine OP will, um jemand anderem zu gefallen. Oder wenn das, was technisch machbar wäre, das Gesicht entstellt. Natürlichkeit steht bei uns über Machbarkeit. Das gilt nicht nur für die Operationen, das gilt auch für die minimalinvasiven Behandlungen.

Was bedeutet „natürlich schön“ für Sie, auch im Hinblick auf moderne Techniken wie Exosomen, PRP oder minimalinvasive Facelifts?

Mir geht es vor allem darum, die individuelle Ausstrahlung zu erhalten, statt sie zu überdecken. Behandlungen wie PRP, Polynukleotide, Exosomen oder bestimmte Skinbooster geben uns Möglichkeiten, die Haut wirklich zu regenerieren, nicht nur zu straffen. Das Ziel sollte immer sein, dass sich meine Patientinnen und Patienten wieder in ihrer Haut wohlfühlen, dass sie frischer und gesünder aussehen, nicht wie jemand anderes.

Bei den gemeinschaftlichen Einsätzen mit mehreren Fachärzten verschiedenster Disziplinen in Indien, Armenien oder für Interplast Germany geht es nicht um Ästhetik, sondern um Funktion: Hände, die sich wieder bewegen lassen. Narben, die nicht mehr schmerzen. Kinder, die nach Lippen-Kiefer-Gaumenspalten wieder sprechen lernen. Diese Eindrücke sprechen für sich.

Eine ästhetische Behandlung kann ein Schritt hin zu innerem Gleichgewicht sein. Wenn jemand nach einer Lidstraffung wieder wacher aussieht und sich auch so fühlt, dann ist das keine Oberflächlichkeit, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität. Wichtig ist nur: Die Entscheidung muss aus dem eigenen Wunsch heraus entstehen, nicht aus Fremderwartung.

Sie sind auch international als Arzt tätig. Welche Bedeutung hat Ihre internationale Zulassung?

Ich bin in Deutschland, der Schweiz und Dubai als plastischer und ästhetischer Chirurg zugelassen. Das erlaubt mir, auch dort ärztlich, beratend und operativ tätig zu sein. Insofern habe ich auch international Patientinnen und Patienten, unabhängig von unserem Praxisstandort. 

Sie sind auch Facharzt-Ausbilder, Fachautor und Referent. Welche Rolle spielen diese Aufgaben für Sie?

Ein Teil meiner beruflichen Laufbahn fand auch außerhalb des OPs statt. Im Hörsaal, auf Kongressen, im fachlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Als Chefarzt eines akademischen Lehrkrankenhauses in NRW habe ich jährlich rund 20 angehende Fachärztinnen und Fachärzte ausgebildet. Und wir bilden auch aktuell in unserer Praxis in Düsseldorf Fachärzte aus.

Ich habe auf vielen Kongressen referiert, Methoden vorgestellt und OP-Techniken diskutiert. In Deutschland und auch international. Und dann ist da noch das Schreiben von Fachartikeln zu Facelift-Techniken, neuen Ansätzen und kritischen Fragestellungen in der ästhetischen Medizin: Mehr als 30.000 Eingriffe, das ist in etwa meine Bilanz, bedeuten Erfahrung. Dieses Wissen weiterzugeben, ist mindestens genauso zentral. Ich hoffe, das trägt dazu bei, dass die ästhetische Medizin fachlich bleibt.

Sie sind auch als Gutachter tätig. Wie beeinflusst das Ihre operative Tätigkeit?

Als Gutachter sehe ich, was schiefgehen kann: falsche Indikationen, unrealistische Erwartungen, mangelhafte Aufklärung. Manchmal ist es ein klarer Behandlungsfehler, manchmal eine tragische Verkettung. Die Verantwortung liegt nicht allein beim Arzt. Patientinnen und Patienten müssen sich heute in einem Überangebot zurechtfinden und auch mal kritisch nachfragen. Die Behandlung beginnt nicht im OP, sondern im Gespräch. Und mit einer fundierten Aufklärung.

Sehr viel. Alle Kolleginnen und Kollegen sind Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie, mit eigenen Schwerpunkten wie der Transgenderchirurgie oder der Lippenästhetik. Das erweitert das Spektrum und entlastet mich persönlich, ohne dass wir Kompromisse bei der Qualität machen.

Ich stelle nur Ärzte und Ärztinnen ein, bei denen ich mich selbst behandeln lassen würde. Fachlich und menschlich stimmt die Chemie. Und wir sprechen im besten Sinne dieselbe Sprache. Also, wir wissen, wo medizinisch die Grenzen sind und dass vor guten Ergebnissen eine ehrliche Beratung steht.

Gibt es eine Geschichte, die Sie besonders berührt hat?

Viele. Eine Patientin kam nach einer misslungenen Operation zu mir, die ihr Selbstwertgefühl zerstört hatte. Wir haben das Ergebnis über Monate korrigiert. Vorsichtig, in mehreren Schritten. Am Ende sagte sie: „Ich sehe endlich wieder mich.“